ANDREJ KREMENTSCHOUK
ZONE - HEIMAT
TSCHERNOBYL
20.03. - 31.07.2011
Über Tschernobyl ist scheinbar alles gesagt. Vor 25 Jahren, am 26.04.1986 kam es in Block 4 des Atomkraftwerkes von Tschernobyl zum bis heute größten atomaren Unglück. Ausgelöst wurde es durch unverantwortliche technische Versuche, die durch Konstruktionsfehler des Reaktors und Baumängel begünstigt, das dramatische Geschehen auslösten. Die Opferzahlen schwanken je nach Berichterstatter beträchtlich. Rund um den havarierten Reaktor liegt heute eine gesperrte „Zone“ mit einem Radius von 30 km, über deren künftige touristische Nutzung die Verantwortlichen in der Ukraine gerade nachdenken. Aus mitteleuropäischer Sicht steht der Begriff „Tschernobyl“ für ein Ereignis in der Vergangenheit und liegt als Ort sehr weit entfernt im Osten. Andrej Krementschouk hat in den vergangenen Jahren mehrfach die evakuierte „Zone“ besucht und den Menschen zugehört, die wieder in ihr leben. Es sind wohl weniger als 1000 Rückkehrer, die versuchen ein möglichst normales Leben an jenem Ort zu führen, der ihnen schon vor dem Unglück Heimat war und dies auch heute noch ist.
So erzählen seine Bilder schließlich von dem Alltag dieser Menschen in einer verstörenden Umgebung. Das Land liegt in einer unglaublich friedvollen Verlassenheit, langsam überwachsen die Dörfer und scheinen geradezu wieder im Boden zu verschwinden. Die Gefahr, die von der Radioaktivität ausgeht, ist unsichtbar und potenziert den irritierenden Eindruck der natürlichen Schönheit: da wir um sie wissen, erinnern wir uns in jedem Bild an das unsichtbare Gift, das die gefährliche Schönheit erst möglich gemacht hat.
Prypjat, als Stadt zum Zeitpunkt der Katastrophe von 40.000 Menschen bewohnt, ist geplündert, verfällt, zerbröselt. Es trägt die ganze morbide Tristesse einer ehedem stolzen und modernen aber untergegangenen Zivilisation in sich. Die Menschen, die Andrej Krementschouk ihre unglaublichen Geschichten erzählt haben, sind zum Teil wieder an die elektrische Versorgung angeschlossen, manche erhalten sogar eine kleine Rente und haben es sich, so gut es eben geht, in der Einsamkeit und Verlorenheit eingerichtet.
Zone – Heimat. Tschernobyl trägt in ihren knapp 100 Bildern manche Züge einer dokumentarischen Arbeit, sie ist in ihrer Summe jedoch viel mehr. In ihrer radikalen Subjektivität stellt sie unser Wissen auf die Probe und bringt uns Erkenntnisse über die menschliche Existenz nahe, die man vielleicht nur in extremen Umfeldern wahrnehmen kann. An einem der giftigsten Orte der Erde erzählt sie von der Schönheit und Kostbarkeit unserer Welt und von dem Mut der Menschen sich die Heimat nicht nehmen zu lassen.
Zur Ausstellung sind im Kehrer Verlag zwei Bücher erschienen:
Andrej Krementschouk: Chernobyl Zone I; (April 2011)
Andrej Krementschouk: Chernobyl Zone II (Mai 2011)